22. Tagung des Österreichischen Restauratorenverbandes "Farbe"
Am 12. und 13. November 2010 fand die 22. Tagung des Österreichischen Restauratorenverbandes in Kooperation mit dem Museum Moderner Kunst zum Thema „Farbe“ statt. Das Thema war bewusst weit gefasst worden, um eine möglichst breite inhaltliche Fächerung zu ermöglichen und alle im Restauratorenverband vertretenen Schwerpunkte einbinden zu können. In den Beiträgen wurde Farbe sowohl als physiologische Wahrnehmung als auch in ihrer Materialität als Pigment oder Farbstoff begriffen. Mit dieser oft irreführenden Ambivalenz des Terminus Farbe im Zusammenhang mit Farbtheorien setzten sich Beiträge von Werner Kitlitschka, Georg Kremer und Annik Pietsch auseinander.
Anke Schänings Vortrag über synthetische organische Farbmittel führte die schon von Kremer skizzierte Darstellung des zunehmenden Widerspruches zwischen einer sich rasant erweiternden Palette von Künstlerfarben und dem zunehmenden Unverständnis der darin enthaltenen Farbmittel chronologisch in das beginnende 20. Jahrhundert fort. Thematisch schloss hier Albrecht Pohlmanns Beitrag an, in dem die im 18. Jahrhundert einsetzenden Forschungen zur chemischen Wirkung des Lichtes auf farbige Substanzen dargestellt wurden. Der Autor erläuterte, wie der Nachteil der Lichtempfindlichkeit bei der Suche nach Sensibilisatoren in der Fotografie in diesem Zusammenhang als eine nützliche Qualität verstanden wurde. Hubert Weitensfelders Einblick in die umfangreiche Sammlung von Farbproben des Technischen Museums Wien ergänzte den Themenschwerpunkt synthetisch-organische Farbmittel des frühen 20. Jahrhunderts. Auseinandersetzungen mit der farbigen Gestaltung von Außenfassaden und Raumschalen aus dem Bereich der Denkmalpflege wurden in Zusammenhang mit der Restaurierung des Stiftes Klosterneuburg und der ehemaligen Stiftskirche von Mondsee vorgestellt. Aus seiner langjährigen Erfahrung in der Denkmalpflege schöpfte Manfred Koller in seinem Beitrag über die Verwendung historischer Farbmittel in Österreich vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert.
Mit dem Thema Farbe, das implizit einen breiten fachlichen Querschnitt bedingt, setzten sich weiters Beiträge zu konkreten Fallbeispielen aus sehr unterschiedlichen Fachbereichen auseinander. Ina Färber gab einen Zwischenbericht des forMuse Forschungsprojektes zum Schadensmechanismus von Kupferfraß, Julia Wechselberger berichtete über ihre Diplomarbeit, in der sie sich mit der Fehlstellenschließung und Rekonstruktion von Verspiegelungsschichten in historischen Zinnamalgamspiegeln beschäftigt hatte, und Sabine Formanek stellte ihre Arbeit zur Rekonstruktion der Farbigkeit eines Renaissance-Spielbrettes vor, die auf Quellenforschung und dem Nachvollzug historischer Technologien beruhte. Weiters gab Alexandra Czarnecki einen Ausblick auf ihre kunsttechnologischen Studien zu der farblichen Gestaltung von Max Klingers Skulpturen. Ein den meisten Teilnehmern unbekanntes Gebiet erschloss Markus Wessolowski vom Österreichischen Filmmuseum. Neben einer Übersicht über historische Verfahren zur Kolorierung von Filmen ging es in dem Vortrag hauptsächlich um die ethischen Grundlagen bei der Restaurierung von Filmen.
Auch Fragestellungen zur komplexen Thematik von Konservierung- Restaurierung moderner und zeitgenössischer Kunst wurden in mehreren Beiträgen erörtert: Karin Steiner berichtete über die Festigung einer Kupferbronze-Farbschicht auf einer Papierarbeit von Bruno Gironcoli, Jenny Schulz stellte ihre Diplomarbeit zu der Problematik nicht trocknender Ölfarben in zeitgenössischen Gemälden vor und Karolina Rajna gab einen Überblick über die Verwendung von Licht als künstlerisches Medium in der Fluoreszenzmalerei. Mit dem Medium Licht im Kontext von Ausstellungsbeleuchtung beschäftigte sich auch die Präsentation von Iris und Michael Podgorschek und Gunther Ferencsin. Die drei Lichtdesigner, die über umfassende Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügen, gaben einen Einblick in die rasant fortschreitende LED-Technologie und zeigten zukünftige Perspektiven durch Einsatz neuer Leuchtentechnologien auf.
Schließlich befassten sich auch einige Beiträge mit der Identifizierung von Pigmenten oder Farbstoffen bzw. der Untersuchung ihrer Eigenschaften. Wilfried Vetter brachte als Anwendungsbeispiel zerstörungs- und berührungsfreie Farbmessungen an 10 Aquarellen Rudolf von Alts u.a. mittels Berechnung der CIE-Lab-Farbkoordinaten, wodurch zukünftig auftretende farbliche Veränderungen exakt zu quantifizieren sind. Ein weiteres Projekt, das sich mit Methoden der Farbwertmessung auseinandersetzte, wurde von Renee Riedler vorgestellt. Im Rahmen eines am Getty Conservation Institute durchgeführten Projektes beschäftigt sie sich mit der Lichtempfindlichkeit von Federarbeiten in ethnographischen Sammlungen. Mithilfe des 1999 entwickelte Newport-Oriel© Fading-Test System (MFT) können Farbveränderungen zerstörungsfrei festgestellt werden. Farbstoffanalysen von Gewebe- und Nähfäden mittels Hochleistungsflüssigkeitschromatographie ermöglichten im Fall des so genannten Mantels der Hl. Elisabeth aus dem 13. Jahrhundert eine Rekonstruktion der Restauriergeschichte. Regina Knaller zeigte in diesem Kontext die Wichtigkeit der Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen auf.
Abschließend sei angemerkt, dass diese 22. Tagung des ÖRV nicht nur eine wichtige Plattform des fachlichen wie des informellen Austausches zwischen Restauratoren_innen in Österreich darstellte, sondern auch den Wandel des Selbstverständnisses des Berufsstandes widerspiegelte. Das breite Spektrum der Beiträge, in denen Konservierungswissenschaften, Kunsttechnologie, Kunstgeschichte und Naturwissenschaften im Dialog standen, sowie die differenzierte Darstellung von Entscheidungsprozessen in der Denkmalpflege und der Restaurierung zeugten von einem zunehmend interdisziplinären Zugang, einem hohen Grad an Reflexion und einem regen wissenschaftlichen Diskurs innerhalb des Faches Konservierung-Restaurierung.